Neuerscheinung

Die „Didaktik der Literarizität“ für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache – eine Anregung für die Didaktik der Schulfremdsprachen? In: Bergmann, Anka; Mayer, Christoph Oliver; Plikat, Jochen (Hrsg.): Perspektiven der Schulfremdsprachen in Zeit von Global English und Digitalisierung. Welche Zielsetzungen sind für Französisch, Spanisch, Russisch & Co. (noch) zeitgemäß? Berlin: Peter Lang.

Bemerkenswerte Stellungnahme der Tagungsleitung der IDT 2022 zum Angriffskrieg in der Ukraine

Die Tagungsleitung der IDT 2022 hat sich auf bemerkenswerte Weise zum Angriffskrieg der Russischen Förderation in der Ukraine positioniert: https://www.idt-2022.at/site/home/blog/article/21.html. Der Krieg wird unmissverständlich und unzweideutig verurteilt; und es wird erwartet, „dass die Teilnehmer*innen der IDT 2022 – unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft, ihrem Tätigkeitsort oder ihrer institutionellen Zugehörigkeit – unsere Position einer eindeutigen Verurteilung des Angriffskrieges in der Ukraine teilen.“ Zugleich wird betont: „Wir schließen keine Personen aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft oder ihres Tätigkeitsortes von einer Teilnahme an der IDT aus.“ Auf diese Weise wird ein klares politisches Zeichen gesetzt (das einzig mögliche), es wird aber auch und zugleich der fatalen Tendenz entgegengetreten, Menschen mit russischer Staatsangehörigkeit eine automatische Identifikation mit der Politik der russischen Staatsführung zu unterstellen und sie durch die Aussperrung von allen möglichen Veranstaltungen für diese Politik zu bestrafen. Ein solches Vorgehen schließt Staatsangehörigkeit und Gesinnung kurz – eine homogenisierende, komplexitätsreduzierende und nicht zuletzt entmündigende Praxis, gegen die das Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache seit langem theoretisch fundiert Einspruch erhebt. Es ist mutig, an diesem gut begründeten Einspruch in einer Situation wie der aktuellen festzuhalten. Aber auch konsequent. Und notwendig für ein Fach, dem es ganz wesentlich um die Sensibilisierung für Komplexität und Vielfalt geht.

Neuerscheinung

DaF_Z digital: Open-Source-Didaktik. Impulse für eine postdigitale Transformation von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. In: Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht (ZIF) 27 (April 2022).
Hier abrufbar: https://ojs.tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/index.php/zif/article/view/1173.

Ein Streitgespräch zwischen Daniela Dahn und Sarah-Lee Heinrich

In der Wochenzeitung der Freitag vom 23. Dezember 2021 diskutieren Daniela Dahn und Sarah-Lee Heinrich miteinander; zwei Vertreterinnen linker Positionen also, die unterschiedlichen Generationen angehören und in unterschiedlichen politischen Systemen sozialisiert worden sind. Nicht unerwartbar geht es dabei auch um das Gendern:

Dahn: […] [I]ch komme aus einer Gesellschaft, in der man das Gendern nicht in die Grammatik verlegte, sondern die Berufstätigkeit von Frauen selbstverständlich war – das Wichtigste für Gleichstellung.
Freitag: Gendern Sie, Frau Dahn?
Dahn: Nein. Das führt nur zu Sexualisierung. Nach der Wende wurde ich von Feministinnen kritisiert, ich hätte eine „maskuline Sprache“. „Ich bin Autor“ – das fand ich emanzipierter, weil es eine Art von Gleichwertigkeit beschreibt, die das Weibliche nicht in eine Substandard-Abteilung auslagert: Es war mir lieber, wenn eine DDR-Frau sagte: „Ich bin Traktorist“, als wenn sie nach der Wende, klüger geworden, sagen musste: „Ich war Traktoristin.“
Heinrich: Das verstehe ich. Gendern ist jedoch eine Frage der Gewohnheit: In meiner Generation denken inzwischen viele nur an Männer, wenn sie das Wort „Autor“ hören.
Dahn: Ich habe nie nur an Männer gedacht, wenn ich so eine Berufsbezeichnung gehört habe. Sondern gleiche Liga, bitte kein Damenprogramm. In modernen Sprachen wie dem Japanischen oder Schwedischen hört man inzwischen auch auf mit diesem unsinnigen Anhängsel.
Heinrich: So sind wir nicht aufgewachsen. Für mich klingt gegenderte Sprache normal, das geht mir flüssig über die Zunge. Aber wenn Frau Dahn andeutet, die Linke tendiere dazu, bestimmte systemische Probleme zu sehr in die Sprache auszulagern – dann kann ich mit dieser Kritik etwas anfangen. Ich komme aus einem Haushalt, der in Armut gelebt hat. Mich mit meiner Mutter darüber zu streiten, welchen Begriff für Berufe sie verwenden soll, kommt mir absurd vor. Ein Hartz-IV-Bescheid, der gegendert ist, hätte uns keine Verbesserung gebracht.“

Dahn macht das gendersensible Formulieren auf seine implizite Gesellschaftskritik transparent: Wo die Gleichberechtigung verwirklicht ist, gibt es die Lücke zwischen Anspruch und Realität nicht mehr, die mit dem Gendern sprachlich spürbar gemacht werden soll. Aber wird daraus – bei Licht besehen – nicht ein Argument für das Gendern? Denn nach Dahn haben sich die gesellschaftlichen Verhältnisse mit der „Wende“ doch zumindest in Bezug auf die „Gleichstellung“ nicht zum Besseren verändert. Ich frage mich aber auch, ob stimmt, was sie hier implizit behauptet: dass die gesellschaftliche Realität in der DDR eine war, die die Frage, ob man als Frau vom generischen Maskulinum mitgemeint war, gar nicht erst aufkommen ließ. Und verdreht es nicht den Sinn des Genderns, wenn als sein zentraler Effekt „Sexualisierung“ – im Sinne von: jemanden einem bestimmten Geschlecht zuzuordnen, ihn also geschlechtlich zu vereindeutigen – angegeben wird (siehe beispielsweise den Artikel von Antonia Baum: Sagen Sie bitte Profx. zu mir)? Gendern zielt doch auf die Abwehr solcher Vereindeutigungen und Vereinnahmungen und damit auf das Schaffen beziehungsweise auf die Erweiterung von Spielräumen und Handlungsmöglichkeiten. Daher ja: „gleiche Liga, bitte kein Damenprogramm“. Und sehr gut gefällt mir auch die folgende Gegenüberstellung, die ich zweimal lesen musste, um ihren Hintersinn zu verstehen: „Es war mir lieber, wenn eine DDR-Frau sagte: ‚Ich bin Traktorist‘, als wenn sie nach der Wende, klüger geworden, sagen musste: „Ich war Traktoristin.“ Das passt zur Bemerkung von Heinrich zum gegenderten Hartz-IV-Bescheid, der den Respekt nur vortäuscht.

David Gramling (2016): The Invention of Monolingualism.

Am Freitag, den 14. Mai, präsentiere ich als Teil des „FaDaF-Quartetts“ das 2016 erschienene, von der American Association for Applied Linguistics ausgezeichnete, höchst lesenswerte Buch von David Gramling The Invention of Monolingualism. Gramling analysiert darin die moderne „episteme of monolingualism“. Mit diesem Begriff ist angedeutet, dass Monolingualität für Gramling eine epochale Qualität hat: Sie strukturiert unser Sprachverständnis auch dort, wo wir uns schon auf der Seite der Multilingualität wähnen. Was heute unter Multilingualität verstanden wird, ist nach Gramling vervielfältigte Monolingualität; durch sie wird das dominante monolinguale Sprachverständnis, das die Existenz von voneinander abgrenzbaren, füreinander transparenten und ineinander übersetzbaren Sprachen postuliert, nicht in Frage gestellt: „In twenty-first-century Europe, however, a citizen is welcome and encouraged to be and become multilingual, provided that one has successfully demonstrated monolingualism first.“
Start: 14 Uhr. Alle Infos zu der Online-Veranstaltung hier: https://www.fadaf.de/de/aktuelles/

Plenarvortrag auf dem X. FAGE-Kongress, Logroño, 17.-19. Oktober 2019: WER SCHAFFT, DER SCHAFFT’S !? Deutsch in Arbeit, Beruf und Forschung

Ich freue mich sehr, dass ich nach 15 Jahren wieder an einem Kongress der FAGE (Federación de Asociaciones de Germanistas en España) teilnehme werde. Ich werde im Rahmen der von Prof. Isabella Leibrandt (Universidad de Navarra) geleiteten Literatursektion den Plenarvortrag halten. Der Titel lautet: „Fremdsprachenunterricht als Effekt des globalen Arbeitsmarkts und als Ort des poetischen Widerstands. Argumente für ein paradoxes Selbstverständnis zeitgemäßer Fremdsprachendidaktik.“ Ich werde mich in dem Vortrag mit den Filmen „Work Hard – Play Hard“ (2011) von Carmen Losmann und „Yella“ (2007) von Christian Petzold sowie mit dem Roman „wir schlafen nicht“ (2004) von Kathrin Röggla beschäftigen; und nach Bezügen dieser filmischen und literarischen Texte zum heutigen Fremdsprachenunterricht fragen.